Ausschnitt einer Fassade, links eine hohen Glasfläche mit Tür, rechts ein Fenster
Seiteneingang des Rathauses mit Zugang zum Büro des Oberbürgermeisters

Nach der Behandlung meiner letzten Eingabe in der Sitzung des Mülheimer Ausschusses für Klima, Umwelt und Landwirtschaft war die Frage offen, ob der Oberbürgermeister Mark Buchholz noch hinter dem Integrierten Klimaschutzkonzept steht. Am vergangenen Mittwoch hat er mir die Gelegenheit gegeben, mit ihm persönlich darüber zu sprechen. Die positive Nachricht: Es gibt auch Gemeinsamkeiten – allerdings nicht bei diesem Thema.

Hintergrund

Der Ratbeschluss zum Integrierten Klimaschutzkonzept hat bereits seinen zweiten Jahrestag hinter sich, doch die Umsetzung stockt. In einer Eingabe an die Stadt Mülheim an der Ruhr habe ich Maßnahmen gefordert, mit denen die Umsetzung beschleunigt werden könnte. Unter anderem habe ich angeregt, Klimaschutz zur Chefsache, also zur Aufgabe des Oberbürgermeisters selbst zu machen. Meine Eingabe wurde in der Sitzung des Ausschusses für Klima, Umwelt und Landwirtschaft (kurz Umweltausschuss) vom 24.11.2025 behandelt. Offen blieb die Frage, ob der Oberbürgermeister Mark Buchholz überhaupt noch hinter dem Integrierten Klimaschutzkonzept steht. (Beitrag vom 25.11.2025)

Ich habe ihm daher eine Mail geschrieben, in der ich darum gebeten habe, meine Eingabe in die nächste Sitzung des Hauptausschusses zu nehmen. So hatte ich es ohnehin in der Eingabe bereits vorgeschlagen und anhand der Gemeindeordnung NRW und der Hauptsatzung der Stadt begründet. Doch darauf hat sich der Oberbürgermeister nicht eingelassen. Stattdessen hat er mich zu einem persönlichen Gespräch eingeladen.

Dieses Gespräch wurde einmal verschoben und fand schließlich am 17.12.2025 statt. Buchholz wurde von einer Mitarbeiterin aus seinem Dezernat begleitet. Die beiden nahmen sich immerhin fast eine Stunde Zeit, bis der nächste Termin rief.

Zum städtischen Fuhrpark

Wie zuvor im Umweltausschuss habe ich auch hier auf meine Aktivitäten zum städtischen Fuhrpark hingewiesen, die schließlich zum Beschluss des Hauptausschusses vom 03.07.2025 führten (Beitrag vom 04.07.2025). Danach sollte der Fuhrpark im Wesentlichen verkleinert und elektrifiziert werden. 

An dieser Stelle ergänzte Buchholz direkt, dass an Stelle einer Verkleinerung sogar eine Ausweitung des Fuhrparks notwendig und geplant sei. Grund seien Fahrten im Bereich der Vollstreckung und Inobhutnahme. Manche Fahrten würden derzeit mit Privatfahrzeugen durchgeführt, was den Beschäftigten nicht weiter zugemutet werden solle. Teilweise sind deutschlandweite Fahrten oder sogar Fahrten ins Ausland erforderlich, was mit einem elektrischen Antrieb nicht zu machen sei.

Ich wies darauf hin, dass es sicher möglich sei, einen Großteil der anderen Fahrten mit E-Autos durchzuführen. Offenbar sähen aber die Dezernate keinen Handlungsbedarf. In einer Antwort auf meine Anfrage an die Stadt behaupteten alle Dezernate, dass bereits auf einen elektrischen Antrieb geachtet werde (Beitrag vom 08.09.2025). Ich wies darauf hin, dass diese Aussage nicht stimme: Im Jahr 2024 seien 25 Pkw neu angemeldet worden, von denen kein einziges einen rein elektrischen Antrieb habe. 

Buchholz führte finanzielle Gründe dafür an. Ein Pkw mit elektrischem Antrieb sei deutlich teurer als mit konventionellem Antrieb, und 2024 habe es keine Förderung für E-Autos gegeben. Und dann kam die Frage, was für ein Auto ich denn fahre. Tatsächlich fahre ich noch ein Auto mit Verbrennermotor. Buchholz gab verbal und nonverbal zu verstehen, dass ich dann doch erst einmal vor der eigenen Haustüre fegen solle. 

Das habe ich aber vehement zurückgewiesen. Meine Entscheidung, kein E-Auto zu kaufen, beruhe auf einer bewussten Entscheidung. Die Produktion eines Neufahrzeuges erzeuge erhebliche Emissionen, sodass es für mich deutlich wirkungsvoller sei, den Wagen möglichst wenig zu fahren, statt ein neues Auto zu kaufen. Auch zu dem Termin mit dem Oberbürgermeister sei ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln gekommen. Ich fliege nicht, wohne in einem Haus mit Wärmepumpe usw. Niemand schaffe es aber, sich völlig klimaneutral zu verhalten, wenn die Strukturen nicht geschaffen würden.

Einen weiteren Versuch, mich als doppelmoralisch zu überführen, gab es auch nicht mehr. Stattdessen berichtete Buchholz aus seiner früheren Zeit bei der Jungen Union.

Der Hotzenblitz

Buchholz sagte, dass er sich als Vorsitzender der Jungen Union in Duisburg Ende der 90er Jahre dafür eingesetzt habe, die Serienproduktion eines deutschen E-Autos ins Ruhrgebiet zu holen. Er empfahl mir, im Internet nach dem „Hotzenblitz“ zu suchen.

Das tat ich später auch: Beim Hotzenblitz handelt es sich um ein E-Auto, das Anfang der 90er Jahre im Hotzenwald im Südschwarzwald entwickelt und im thüringischen Suhl in kleiner Serie produziert wurde, bis es zu Finanzierungsschwierigkeiten kam (s. Wikipedia-Artikel). Tatsächlich gab es Bestrebungen, die Serienproduktion in Duisburg wiederaufzunehmen (Welt vom 09.09.1998). Beiträge über die Rolle unseres heutigen Oberbürgermeisters habe ich aber leider nicht gefunden.

Letztlich ist die Serienproduktion aber gescheitert. Buchholz zog das Fazit, es habe halt nicht sein dürfen, dass ein Vorsitzender der Jungen Union 1 000 Arbeitsplätze schaffe. Sein Herz schlage jedenfalls für die E-Mobilität. Er bekomme als erstes Mitglied des Verwaltungsvorstandes im März ein vollelektrisches Auto, auch das Fahrzeug seiner Frau habe einen rein elektrischen Antrieb. Er gehe davon aus, dass die anderen Mitglieder des Verwaltungsvorstandes nachzögen.

Die Haltung, so Buchholz zu mir, verbinde uns, wir hätten nur unterschiedliche Vorstellungen zur Geschwindigkeit.

Ein Thema von vielen

Buchholz betonte, dass Klimaschutz zwar ein herausragendes Thema sei, aber eben nur eines von vielen, die er als Oberbürgermeister im Blick behalten müsse. Er wies zudem auf seinen 9-Punkte-Plan für die Ratsperiode 2025 bis 2030 hin. Die Klimaschutzziele müssten der Realität angepasst werden, bis 2035 sei die Klimaneutralität nicht erreichbar. (Im 9-Punkte-Plan hieß es dazu: „Ich werde ... in Abstimmung mit den Menschen die Klimaziele realistischen Zeiten anpassen. Dafür kann der o.g. Bürgerrat eine geeignete Grundlage sein, um die Menschen inhaltlich überzeugt mitzunehmen“; CDU-Kommunalwahlprogramm [Link | Archiv], S. 4, Punkt 7.)

Man müsse, so Buchholz, die Stadtgesellschaft mitnehmen. Für mich sei der Klimaschutz sehr wichtig, andere Bürgerinnen und Bürger hätten aber andere Prioritäten. Es gebe beispielsweise heute bereits viele Baustellen in Mülheim, über die sich die Menschen beschwerten. Für den Ausbau der Fernwärmenetze seien weitere Baustellen erforderlich. Arbeite man hier gegen die Stadtgesellschaft, spiele man nur den politischen Rändern in die Karten. Ich erwiderte, dass das Gleiche geschehe, wenn Ratsbeschlüsse wie der zum Integrierten Klimaschutzkonzept nicht umgesetzt würden.

Die Finanzierbarkeit spielte im Gespräch mehrfach eine Rolle. Buchholz betonte, dass er auch gerne einen 5- oder 10-Minuten-Takt im Nahverkehr anbieten wolle, aber das müsse auch alles finanziert werden. Ich wies darauf hin, dass es durchaus Maßnahmen im Integrierten Klimaschutzkonzept gebe, die ohne zusätzliche Kosten umsetzbar seien, und dass ich glaube, dass der Klimaschutz in Mülheim Fortschritte machen könnte, wenn er zur Chefsache gemacht werden würde. Insbesondere in den Dezernaten, die nicht originär für den Klimaschutz zuständig seien, sei das Thema meines Erachtens nicht präsent. Ich wiederholte meine frühere Aussage: Wie allen Beschäftigten der Stadtverwaltung klar sei, dass nur ein begrenztes Euro-Budget zur Verfügung stehe, so müsse auch allen Beschäftigten klar sein, dass nur noch ein begrenztes CO2-Budget genutzt werden könne. Und das sei meines Erachtens bisher nicht gegeben.

Buchholz wies darauf hin, dass alle Maßnahmen der Stadt bereits auf Klimaneutralität geprüft würden. Ich wendete ein, dass die Klimawirkungsprüfung nur dann einen Nutzen habe, wenn sie auch Folgen für die Umsetzung habe und nicht nur im routinemäßigen Ausfüllen eines Fragebogens bestehe. 

Meine Gesprächspartner betonten, dass der Klimaschutz beim Dezernenten, Felix Blasch, und der Leiterin der Stabsstelle Klimaschutz und Klimaanpassung, Ulrike Marx, in guten Händen sei. Er werde von beiden engagiert vorangetrieben. Auf meine Nachfrage, ob sie denn auch die Rückendeckung des Oberbürgermeisters hätten, räumte Buchholz ein, dass er auch die anderen Themen im Auge behalten müsse und insofern manchmal auch gegen Marx entscheide, nämlich wenn Maßnahmen nicht umsetzbar seien.

Gemeinsamkeiten und Ausblick

Wenn wir uns auch im Klimaschutz nicht einig wurden, haben Buchholz und ich am Ende doch ein paar Gemeinsamkeiten gefunden. Niemand von uns möchte, dass der rechte Rand gestärkt wird. Das Ziel von Buchholz, anlassbezogen Bürgerräte einzurichten, begrüße ich ebenfalls. In einem Bürgerrat zum Klimaschutz könne dann, so Buchholz, jemand wie ich beispielsweise mit einem Bürger zusammensitzen, der gerade nachdenkt, eine Wärmepumpe in sein Haus einzubauen. Dass er und ich zu diesem Thema zusammensäßen und Argumente austauschten, sei ebenfalls ein Merkmal der Demokratie. Ich erwähnte, dass ich am nächsten Tag per Ratsbeschluss als einer von drei sachkundigen Einwohnern in den Umweltausschuss aufgenommen werden sollte. Buchholz begrüßte ein solches Engagement.

In Anbetracht des Drucks, unter dem auch die Demokratie in Deutschland steht, ist unser gemeinsames Verständnis der Demokratie natürlich auch schon ein wichtiger Konsens. Ich hoffe jedenfalls, dass die Bürgerräte tatsächlich kommen.

Als Handreichung versprach Buchholz, in der nächsten Amtsleiterrunde noch einmal die Bedeutung der Fragebögen zur Klimawirkungsprüfung anzusprechen. Ich schlug vor, zusätzlich alle Amtsleiterinnen und -leitern aufzufordern, sich das Integrierte Klimaschutzkonzept anzusehen und Maßnahmen umzusetzen, die keine zusätzlichen Kosten verursachten (wobei Buchholz anzweifelte, dass es überhaupt welche gebe).

Mein Fazit

Nach meinem Gespräch mit dem Mülheimer Oberbürgermeister zeigte sich: Beim Demokratieverständnis liegen wir beieinander, beim Klimaschutz nicht.

Der kleine Exkurs zum Fahrzeug, das ich selbst fahre, ist beispielhaft für ein weitverbreitetes Argument: Wer sich für den Klimaschutz engagiert, aber nicht selbst in allen Punkten Vorbild ist, habe nicht das Recht, Klimaschutz von anderen zu fordern. Doch das ist zu kurz gesprungen. Niemand schafft es, Klimaschutz bei unveränderten Strukturen in kurzer Zeit in allen Aspekten seines Lebens umzusetzen. Aber wichtig ist es, überhaupt anzufangen – für mich als Privatperson, genauso aber auch für die Stadt. Für die Stadt ist es meines Erachtens noch wichtiger: Wegen der Vorbildfunktion, aber auch, um größere Fortschritte bei den Privatpersonen überhaupt erst zu ermöglichen.

Das Gespräch hat mir bestätigt, dass unser Oberbürgermeister den Klimaschutz in Mülheim nicht vorantreiben wird. Wie er selbst sagte, hält er die Umsetzung bis zum Jahr 2035 nicht für realistisch, sodass das Integrierte Klimaschutzkonzept anzupassen sei. Wenn absehbar ist, dass Ziele schwer zu erreichen sind, kann man natürlich seine Ziele anpassen. Man könnte aber auch die Anstrengungen erhöhen. Immerhin geht es um ein Thema, bei dem uns die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer wieder deutlich machen, dass wir keine Zeit mehr haben.

Die Finanzierbarkeit ist eine Frage der Prioritäten. In den Tagen um unser Gespräch erschien ein Artikel in der WAZ zur weiteren Entwicklung beim Mülheimer Stadtentwicklungsprojekt Ruhrbania (Link [€]). Darin steht ein bemerkenswerte Satz zu der Frage, wie der Kämmerer Frank Mendack die erforderlichen 5 Mio. Euro für eine Sanierung des alten AOK-Gebäudes aufbringen will: „Entgegen seiner in jüngster Vergangenheit mantrahaft vor sich hergetragenen Feststellung, die Stadt sei wegen ihrer Haushaltssituation streng limitiert bei zusätzlichen Investitionen, sieht Mendack im AOK-Projekt nun überraschend kein Problem. Er will das Geld innerhalb des Haushaltes umschichten und sieht dafür Puffer sowohl noch im laufenden als auch in den zwei kommenden Jahren.“ 

Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.